Über uns
Die Gesellschaft für Plurale Ökonomik Tirol
Die Gesellschaft für Plurale Ökonomik Tirol gibt es seit Juli 2024. Eine Gruppe von Studierenden aus Innsbruck hat sich zum Ziel gesetzt, die Lehre und das Curriculum der Wirtschaftswissenschaften vielfältiger zu machen. Als erstes Projekt ist in diesem Zusammenhang im Sommersemester 2024 die Ringlehrveranstaltung Exploring Economics: Wirtschaft nachhaltig denken erfolgreich auf die Beine gestellt worden. Wir nutzten hierfür das Format der “Studentischen Lehre”, dessen Etablierung maßgeblich von UniNEtZ und dem Green Office vorangetrieben wurde.
Dieses erste Projekt haben wir noch ohne den formalen Rahmen eines Verein organisiert. Aus dem Austausch mit den Vertreter:innen der Gesellschaft für Plurale Ökonomik Wien heraus ist die Idee entstanden, deren Verein nach Tirol zu übersiedeln. Wien bleibt natürlich weiterhin ein starkes Zentrum der kritischen Wirtschaftswissenschaften – es gibt dort zahlreiche weitere Gruppen (z.B. Der Rote Börsenkrach, Beigewum, Wipol etc.), bei denen ihr euch engagieren könnt. Bei Interesse an der Gründung einer neuen Wiener Gruppe für Plurale Ökonomik meldet euch unter contact@plurale-oekonomik.at
Von den großen Fußstapfen, die wir in Innsbruck auszufüllen haben, zeugen die hier angeführten Berichte zu den Aktivitäten der Wiener Gruppe während ihres 10-jährigen Bestehens.
Erste Schritte
Vereint durch die Überzeugung, dass die Mainstream-Ökonomie unzureichende Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit liefert, gründete eine kleine Gruppe von Studierenden aus Wien im Jahr 2014, im Anschluss an das ISIPE–Manifest, die “Gesellschaft für Plurale Ökonomik in Wien”. Das gemeinsame Ziel lautete damals wie heute: die eindimensionale Lehre der Wirtschaftswissenschaften an den Lehrstühlen Österreichs aufzubrechen.
Wie sind die Gründungsmitglieder unserer Gruppe also an ihre Aufgabe herangegangen?
Österreich ist ein kleines Land, und Wien wird oft als Dorf bezeichnet; jede kennt jeden, und ohne die richtigen Leute zu kennen, steht man oft vor verschlossen Türen. Wenn man aber die richtigen Leute kennt, kann man in kurzer Zeit bemerkenswerte Dinge anstoßen. Im Fall der Wiener Pluralos bedeutete dies, ein solides Netzwerk von akademischen Kontakten innerhalb Österreichs zu knüpfen. Glücklicherweise gab es in Wien bereits Studentengruppen, die sich mit ihrer Kritik an der Mainstream-Ökonomie einen Namen gemacht hatten. Dazu zählten beispielsweise Verbände wie der Rote Börsenkrach der Universität Wien. Die Gesellschaft für Plurale Ökonomik Wien fügte sich als Organisation ein, die Studierenden aller Universitäten Wiens offenstand.
Durch die Bildung von Allianzen mit verschiedenen Gruppen Studierender sowie auch etablierter Akademiker:innen erhielten die Pluralos Zugang zu wichtigen Ressourcen, wie Veranstaltungsorten und Publikationsmöglichkeiten. Alle Mitglieder unseres wachsenden Netzwerks teilten die Vision einer erneuerten wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung an den Wiener Universitäten. Pluralistische Kurse sollten nicht nur ein optionaler Teil des Lehrplans sein, sondern als Pflichtveranstaltungen für alle Wirtschaftsstudenten eingeführt werden.
Zum Auftakt unserer Kampagne beschlossen wir, eine öffentliche Diskussionsrunde mit dem Titel “Realität, Relevanz und Modelle“ zu organisieren. Unter den Diskussionsteilnehmer:innen befand sich kein Geringerer als Peter Mooslechner, der damalige Direktor der Österreichischen Nationalbank.
Erste Konferenz
Nach diesem erfolgreichen Auftakt etablierten sich die Pluralos nach und nach im Ökosystem der in Wien ansässigen Wirtschaftswissenschaften, wodurch sich viele neue Handlungsmöglichkeiten ergaben. Angetrieben vom Eifer der Gründungsmitglieder entpuppte sich als nächstes großes Projekt die Veranstaltung der ersten wissenschaftlichen Konferenz zum Thema Pluralismus in den Wirtschaftswissenschaften in Wien. Das umfangreiche Programm umfasste Themen wie Umwelt, Arbeit, Wohlstand, Finanzsysteme und Machtstrukturen. Insgesamt nahmen mehr als 300 Personen an der Veranstaltung im Mai 2015 teil.
Politik in Österreich
Nach dem zweiten Jahr ihres Bestehens konnte unsere Gruppe bereits auf viele Erfolge zurückblicken. Darunter auch die Einrichtung einer Sommerakademie, zu der Studierende aus unterschiedlichen Studienrichtungen eingeladen wurden. An der österreichischen Presse gingen die Aktivtäten der Pluralos auch nicht vorbei und ebenso zeigten sich einige Politiker:innen interessiert. So erklärte sich im Jahr 2016 der damalige Chef der Sozialdemokratie, Christian Kern, bereit Mariana Mazzucato bei einer Veranstaltung zu treffen, die von der Gesellschaft für Plurale Ökonomik in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsuniversität Wien ausgerichtet wurde.
In den folgenden Jahren setzten die Pluralos alles daran, ihre etablierten Strukturen nachhaltig aufrechtzuerhalten. Mit anderen Worten: die Gruppe entwickelte regelmäßige Routinen wie die Veranstaltung von Workshops, Lesezirkeln, Vortragsreihen und Podiumsdiskussionen zu vielfältigen Themen rund um Ökonomie und Gesellschaft. Insgesamt kann die Gesellschaft für Plurale Ökonomik von 2016 bis 2019 auf mehr als 40 organisierte Veranstaltungen zurückblicken. Neben den zuvor genannten zählen zu den Höhepunkten mitunter ein Besuch von Yannis Varoufakis im Jahr 2015 oder auch ein Workshop mit Kate Raworth im Jahr 2018. Ebenso wurde eine zweite Konferenz zum Thema Pluralität in der Wirtschaft im Jahr 2019 organisiert.
Corona & #EconBurning
Die Bemühungen der Pluralos trugen stetig Früchte und auch wenn Studierende die Gruppierung nach Absolvierung ihres Studiums regelmäßig verließen stand stets die nächste Generation an kritischen Student:innen bereit, um die Arbeit ihrer Vorgänger:innen fortzuführen.
Eine erste Zäsur erfuhr die Gruppe, durch den Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahr 2020. Viele Aktivitäten mussten vorübergehend eingestellt werden oder konnten nur eingeschränkt online weitergeführt werden. Gleichzeitig kam es zu einer kontroversen Entwicklung an der Wirtschaftsuniversität Wien. Angetrieben durch eine neue Gesetzesnovelle wurde die Organisationsstruktur des Departments für Volkswirtschaft an der WU grundlegend verändert.
Studierende äußerten die Befürchtung, dass diese Neustrukturieren einen stärkeren Fokus auf orthodoxe Lehr- und Forschungsinhalte mit sich bringen würde. Dies würde zu einer stärkeren Angleichung von Lehre und Forschung führen und somit den Raum für heterodoxe Ideen einschränken. Unter dem Hashtag #econburning organisierte die Studienvertretung der Volkswirtschaft eine Kundgebung gegen das Gesetz und reichten eine Petition mit der Forderung nach mehr Transparenz im Zusammenhang mit der Reform ein.
Im Zuge dieser Kontroverse erfuhren die Pluralos in der vergangen Zeit einen vermehrten Zulauf an neuen Mitgliedern. Dieser war dringend nötigt, denn wie jede Student:innengruppierung sind auch die Pluralos auf ständigen Nachschub angewiesen. Derzeit, im Jahr 2023 befinden wir uns als Gruppierung wieder, wie schon so oft in der Vergangenheit, in einer Übergangsphase, in der die Veteranen unserer Gruppe die neuen Mitglieder dabei unterstützen, ihre eigenen Projekte und Ideen zu verwirklichen. Wir sind stolz und erfreut zu sehen, mit welchem Engagement und Enthusiasmus sich die neuen Student:innen Tag für Tag in unsere Gruppe einbringen. Auf der anderen Seite können unsere langjährigen Mitglieder, die nun langsam die Universität verlassen, stolz darauf sein, wenn sie auf das zurückblicken, was sie in ihrer Zeit erreicht haben.
Mit Blick auf die Zukunft sind wir zuversichtlich, dass wir uns weiterhin für eine pluralistischere Form der Lehre und Forschung innerhalb der Wirtschaftswissenschaften einsetzen werden, die den Menschen und dem Planeten dienen, den Pluralismus in der Wirtschaft fördert und ein umfassenderes Verständnis von Wirtschaft vorantreibt. Mit jedem Jahr, das vergeht, arbeiten wir weiter daran, eine lebendige und vielfältige Wirtschaftswissenschaft in Wien und darüber hinaus zu schaffen.